Bei der Arbeitszeiterfassung stellt sich eine zentrale Frage:
Wann beginnt die Arbeitszeit? Bereits beim Hochfahren des Computers?
- Die Arbeitszeiterfassung wird Pflicht in Deutschland. Das sorgt bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen für einige Fragen
- Wir haben mit einer Anwältin für Arbeitsrecht darüber gesprochen, was wirklich als Arbeitszeit gilt
- Ist das Hochfahren des Computer bereits als solche zu werten? Und was ist mit dem Plausch mit Kollegen in der Teeküche? Wir klären die wichtigsten Fragen zur Arbeitszeit
Zu Beginn eines typischen Arbeitstages holt man sich zuerst einen Kaffee, geht dann weiter zu seinem Schreibtisch, fährt den Rechner hoch und während man kurz wartet, quatscht man mit der Kollegin am Nebentisch. Wenn man sich dann wieder dem inzwischen gestarteten Computer zuwendet, kommt plötzlich die Frage auf: War das jetzt gerade schon Arbeitszeit?
Die Antwort ist simpel: Ja. Denn: „Grundsätzlich beginnt die Arbeitszeit bereits in dem Moment, ab dem der Arbeitnehmer den Startknopf des Computers betätigt“, erklärt Livia Merla, Fachanwältin für Arbeitsrecht der mgp-Kanzlei in Berlin, auf Anfrage dieser Redaktion. Die Zeit, die der Computer zum Hochfahren braucht, bezeichne man laut der Expertin als „Rüstzeit“. Gemeint sei damit die Zeit, die zur Vorbereitung einer bestimmten Arbeit notwendig ist. „Diese zählt bereits als Arbeitszeit“, so Merla.
Arbeitszeit? Expertin äußert sich zu An- und Abreise zur Arbeit
Ähnlich verhalte es sich mit dem Anziehen von Arbeitskleidung – zumindest wenn diese „einem fremden Bedürfnis, mithin dem des Arbeitgebers, dient“. Sprich:
- Wenn der Arbeitgeber entweder das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt
- oder „wenn die Kleidung besonders auffällig ist und der Arbeitnehmer sie deshalb im Betrieb anzieht“, wie die Fachanwältin erläutert.
„Je auffälliger die Dienstkleidung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber die Umkleidezeit vergüten muss“, fasst sie daher zusammen. Oftmals gebe es dann pauschale Vergütungen, die sich in den meisten Fällen auf fünf bis zehn Minuten belaufen würden.
Die tägliche An- und Abreise zur Arbeit zähle hingegen nicht als Arbeitszeit, wie die Fachanwältin erklärt. Diese gehöre zum „Privatbereich des Mitarbeiters“. Anders sei der Fall jedoch zu beurteilen, wenn ein Arbeitnehmer regulär aus dem Homeoffice arbeitet und keinen festen Arbeitsplatz hat. „Dies ist häufig bei Außendienstmitarbeitern der Fall. Hier stellt der Weg zwischen dem Wohnort und dem Standort des ersten und letzten Kunden ausnahmsweise bereits Arbeitszeit dar“, so Merla.
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer zu erfassen
Wieso die Frage nach dem Beginn der Arbeitszeit überhaupt so relevant ist, begründet sich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) das am 14. Mai 2019 gefällt wurde. Denn darin werden Arbeitgeber dazu verpflichtet, ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit einer jeden Arbeitnehmerin und eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann. Um dem nachkommen zu können, ist natürlich von Relevanz, wann die Arbeitszeit eigentlich anfängt.
Doch diese Frage stellt sich möglicherweise nicht nur zu Beginn des Arbeitstages, sondern auch währenddessen: Wie steht es zum Beispiel um einen kurzen Plausch mit einer Kollegin an der Kaffeemaschine oder um eine Unterhaltung mit dem Kollegen am Schreibtisch gegenüber? Müsste man diese Zeit theoretisch nacharbeiten?
Arbeitszeiterfassung: Wann Kollegen-Gespräche als Arbeitszeit gelten
„Streng genommen, ja“, meint Merla. Denn wenn es sich um ein rein privates Gespräch ohne beruflichen Bezug handelt, sei das streng genommen keine Arbeitszeit und müsse entweder in die Pause verlegt oder nachgearbeitet werden. Sofern sich die Gespräche im zeitlichen Rahmen halten, würde man in der Praxis jedoch vermutlich „ein Auge zudrücken“, so die Fachanwältin. Der Austausch sei schließlich wichtig für das „gemeinsame Miteinander und das Teamgepräge“.
Wer seinen Kaffee nur in der Küche holt und dann die Tasse am Arbeitsplatz während des Arbeitens trinkt, hat laut Merla außerdem keine Pause im eigentlichen Sinne gemacht. „Ein ausführlicher Plausch mit den Kollegen in der Küche bei einer Tasse Kaffee ist hingegen durchaus als Pause zu werten“, so die Fachanwältin.